Wer haftet wofür?       Haftpflichtversicherung bei Gemeinschaftsarbeit

Joachim Richardt,

Geschäftsführer des KVD Kleingarten-Versicherungsdienstes, Köln


DER FACHBERATER AUGUST 2006


A.    Verschiedene Fallkonstellationen

1.     Der Verein schädigt einen Dritten

2.     Der Verein schädigt ein nicht teilnehmendes Vereinsmitglied

3.     Der Verein schädigt sich selbst

4.     Die Teilnehmer an der Gemeinschafts­arbeit schädigen sich untereinander

5.     Ein Teilnehmer an der Gemeinschafts­arbeit schädigt sich selbst

6.     Die Teilnehmer an der Gemeinschafts­arbeit schädigen den Verein

7.     Eigene Haftung der Teilnehmer an der Gemeinschaftsarbeit

B.    Verhalten im Schadensfall und wichtige Versicherungsausschlüsse

 


 

Die Gemeinschaftsarbeit, d.h. der vom Verein organisierte und durchgeführte Arbeitsein­satz, ist aus dem Vereinsleben eines Kleingärt­nervereins nicht wegzudenken. Die Gemein­schaftsanlagen und -flächen müssen von den Vereinsmitgliedern gepflegt und instand gehal­ten werden. Bei der Durchführung der Ge­meinschaftsarbeiten kommt es immer wieder zu Personen- oder Sachschäden, die durch die an der Gemeinschaftsarbeit teilnehmen­den Mitglieder schuldhaft verursacht werden.

Vielfach wird in diesem Zusammenhang die irrige Meinung vertreten, dass alles, was im Rahmen von Gemeinschaftsarbeiten geschä­digt wird, auch vom Verein zu bezahlen ist. Die­se Auffassung wird damit begründet, dass die an der Gemeinschaftsarbeit Teilnehmenden im Auftrag des Vereins tätig seien und er allein deshalb für alle Schäden einzutreten habe.

Die Frage, ob die eingetretenen Schäden vom Verein zu bezahlen (Haftung) und durch eine Haftpflichtversicherung gedeckt (Deckung) sind, wird jedoch nach der im Einzelfall zu prüfen­den Sach- und Rechtslage beurteilt. Sofern Deckung besteht, wird die Haftpflichtversiche­rung unberechtigte Schadenersatzansprüche (dies ist der Fall, wenn keine Haftung besteht) als unbegründet zurückweisen (passive Rechts­schutzfunktion) und berechtigte Schadenersatz­ansprüche (es besteht eine Haftung) bezahlen (Freistellungsfunktion). In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob gegebenenfalls die Haftung gemindert oder gar ausgeschlossen ist.

Diese Aufgabe übernimmt u. a. die Vereins-Haftpflichtversicherung. Ihr liegen die „Allge­meinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung" (AHB) zugrunde. Hier­nach wird dem Verein Versicherungsschutz für den Fall gewährt, dass er für die Folgen eines während der Wirksamkeit der Versiche­rung eingetretenen Schadenereignisses auf­grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird. Versicherungsnehmer (VN) ist der Verein; die Mitglieder des Vorstandes und die übrigen Ver­einsmitglieder, die im Interesse des Vereins tätig werden, sind mitversicherte Personen.

Nach den „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen" (BBR) für die Haft­pflichtversicherung für Vereine ist im Rahmen der AHB die gesetzliche Haftpflicht des VN als Verein, insbesondere aus den gewöhnlichen satzungsgemäßen oder sonst sich aus dem Vereinszweck ergebenden Veranstaltungen, versichert. Mitversichert ist die persönliche gesetzliche Haftpflicht sämtlicher übrigen Mit­glieder aus der Betätigung im Interesse und dem Zwecke des versicherten Vereins bei Ver­einsveranstaltungen. Als eine solche Veran­staltung ist für einen Kleingärtnerverein die Gemeinschaftsarbeit anzusehen.

Dieser Einschluss der persönlichen gesetz­lichen Haftpflicht der übrigen Mitglieder bedeutet nicht - wie zum Teil fälschlich an­genommen wird -, dass hierdurch jedes Ver­einsmitglied eine eigene Privat-Haftpflichtversicherung zur Verfügung gestellt bekommt. Um den Abschluss einer Privat-Haftpflicht-Versicherung muss sich jedes Vereinsmitglied selbst bemühen.

Unter Umständen kann auch die Privat-Haftpflichtversicherung für Schäden, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Gemeinschaftsarbeit verursacht werden, zum Tragen kommen. Dies kann dann der Fall sein, wenn sich die Schadenersatzansprüche nicht gegen den Verein, sondern direkt gegen die einzelnen Teilnehmer der Gemeinschafts­arbeit richten und eine Privat-Haftpflichtversicherung vom einzelnen Teilnehmer abge­schlossen wurde.

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A.    Verschiedene Fallkonstellationen

Die verschiedenen Fallkonstellationen sollen das Gesagte nachfolgend genauer darstellen.

 

1. Der Verein schädigt einen Dritten

Der Kleingärtnerverein hat auf dem Vereins­gelände Häckselarbeiten im Rahmen der Gemeinschaftsarbeit angesetzt. Hierzu stellt er den an der Gemeinschaftsarbeit teilnehmen­den Vereinsmitgliedern den vereinseigenen Häcksler zur Verfügung. Bei den Häckselarbei­ten wird ein Teil des Häckselgutes aus dem Einfüllstutzen zurückgeworfen und verletzt einen in unmittelbarer Nähe vorbeigehenden Besucher der Kleingartenanlage am Kopf.

Für den hier eingetretenen Personenschaden kann der Verein haftpflichtig gemacht werden, da ihm im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht die Verpflichtung obliegt, den Häcksel­platz weiträumig abzusperren, damit unbetei­ligte Dritte durch die Häckselarbeiten nicht gefährdet und geschädigt werden.

Wenn sich bei gleicher Sachlage infolge man­gelnder oder schlecht durchgeführter War­tung ein Teil des Häckslers lösen und einen Dritten verletzen würde, so könnte für den hierdurch verursachten Personenschaden ebenfalls der Verein haftpflichtig gemacht werden.

Beide Personenschäden wären der Vereins-Haftpflichtversicherung zu melden, die auf ihre Kosten im Namen des Vereins die Ver­handlungen mit dem Geschädigten führen und, sofern Deckung besteht, die passive Rechtsschutzfunktion oder Freistellungs­funktion wahrnehmen würde.

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2. Der Verein schädigt ein nicht teilnehmendes Vereinsmitglied

Geschädigter Dritter kann auch ein Vereins­mitglied sein, das nicht an der Gemein­schaftsarbeit teilnimmt. Auch ihm gegenüber kann der Verein die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzen, wenn sich infolge mangelnder oder schlecht durchgeführter Wartung ein Teil vom vereinseigenen Häcksler löst und einen unbeteiligten Gartenfreund verletzt.

In der Vereins-Haftpflichtversicherung sind nach herrschender Meinung in der juristi­schen Literatur und einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln (in Neue Zeit­schrift für Versicherung und Recht [NVersZ02. 417]) Ansprüche von Versicherten (das sind die an der Gemeinschaftsarbeit teilneh­menden Mitglieder) gegen den VN (das ist der Verein) nicht vom Versicherungsschutz ausge­schlossen.

Die Vereins-Haftpflichtversicherung würde, sofern Deckung besteht, unbe­rechtigte Schadenersatzansprüche im Namen des Vereins abwehren und berechtigte Scha­denersatzansprüche im Rahmen der Versi­cherungsbedingungen bezahlen.

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3. Der Verein schädigt sich selbst

Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn im Rahmen von Gemeinschaftsarbeiten auf dem Vereinsgelände Erdarbeiten durchgeführt wer­den und eine im Boden verlegte Wasserlei­tung beschädigt wird, die im Eigentum des Vereins steht. In einem solchen Fall würde es schon an einer Haftung des Vereins fehlen, da sich der Verein - wie auch jede andere natürliche Person - nicht selbst auf Schaden­ersatz in Anspruch nehmen kann. Auch die Vereins-Haftpflichtversicherung würde hier keine Deckung bieten, da es insoweit an einem Schadenersatzanspruch eines Dritten fehlt und so genannte Eigenschäden nicht mitversichert sind.

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4. Die Teilnehmer an der Gemeinschafts­arbeit schädigen sich untereinander

Denkbar sind auch Fälle, bei denen sich die Teilnehmer an der Gemeinschaftsarbeit unter­einander schädigen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Gartenfreund beim Befüllen des vereinseigenen Häckslers einem anderen Gartenfreund mit einem Ast eine Verletzung am Auge zufügt.

Hier ist der Verein durch den geschädigten Teil­nehmer an der Gemeinschaftsarbeit nicht haft­pflichtig zu machen, da das Ansetzen von Gemeinschaftsarbeit durch den Verein als sol­ches keine zum Schadenersatz verpflichtende Handlung ist. Vielmehr handelt der den Scha­den verursachende Gartenfreund beim Befül­len des Häckslers eigenverantwortlich und ist deshalb auch für den von ihm verursachten Schaden haftpflichtig.

Sollte sich der geschädigte Gartenfreund den­noch mit Schadenersatzansprüchen an den Verein wenden, so wären sie dem Vereins-Haftpflichtversicherer unverzüglich zu melden. Der Vereins-Haftpflichtversicherer würde auf seine Kosten den Anspruch als unbegründet im Namen des Vereins abwehren.

Allerdings haftet der den Schaden verursachen­de Gartenfreund dem verletzten Gartenfreund nach den allgemeinen Grundsätzen des Scha­denersatzrechtes gemäß § 823 Abs. l Bürger­liches Gesetzbuch (BGB) auf Schadenersatz. Sofern eine Privat-Haftpflichtversicherung be­steht, würde diese sich des Falles annehmen müssen. Die Vereins-Haftpflichtversicherung würdesich mit Schadenersatzansprüchen des geschädigten Gartenfreundes nicht befassen, da nach den BBR für Vereine Ansprüche der mitversicherten Personen untereinander von der Versicherung ausgeschlossen sind.

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5. Ein Teilnehmer an der Gemeinschafts­arbeit schädigt sich selbst

Es kommt auch vor, dass sich ein Gartenfreund bei der Durchführung der Gemeinschaftsarbeit selbst schädigt. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ihm bei den Arbeiten die Brille von der Nase rutscht und in den Häcksler fällt. Hierfür ist der Verein nicht haftbar, da der Gartenfreund die ihm zugewiesenen Arbeiten eigenverantwortlich vornimmt.

Da keine Schädigung durch einen Dritten vor­liegt, kann der Gartenfreund keinen anderen für die beschädigte Brille haftpflichtig machen. Da es an einem Schadenersatzanspruch eines Dritten fehlt, ist ein derartiger Schaden weder über die Vereins-Haftpflichtversicherung noch über die Privat-Haftpflichtversicherung gedeckt.

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6. Die Teilnehmer an der Gemeinschafts­arbeit schädigen den Verein

Letztlich ist auch noch der Fall denkbar, dass einer der Teilnehmer an der Gemeinschaftsar­beit den vereinseigenen Häcksler beschädigt. In einem solchen Fall würde der Gartenfreund dem Verein gegenüber grundsätzlich nach § 823 Abs. l BGB auf Schadenersatz haften, wobei im Schadenersatzrecht derjenige Wert zu ersetzen ist, den die Sache zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses gehabt hat (Zeit­wert). Auch in einem solchen Fall wäre es Auf­gabe der Privat-Haftpflichtversicherung des Gartenfreundes, der den Schaden verursacht, sich mit dem Schadensfall zu befassen.

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7. Eigene Haftung der Teilnehmer an der Gemeinschaftsarbeit

Unter Umständen ergibt sich bei den Scha­denszenarien neben der Haftung des Vereins eine eigene Haftung derjenigen Teilnehmer an der Gemeinschaftsarbeit, die den Scha­den aufgrund eigenen Tuns oder Unterlassens einem Dritten zugefügt haben. Diese Gartenfreunde haften dem Geschädigten neben dem Verein als Gesamtschuldner.

Wie bereits dargelegt, würde sich die Vereins-Haftpflichtversicherung mit der persönlichen gesetzlichen Haftpflicht des einzelnen Mitglie­des befassen, da die Gemeinschaftsarbeit im Interesse und zum Zwecke des versicherten Vereins ausgeübt wurde. Für den Fall, dass die Vereins-Haftpflichtversicherung Zahlun­gen vornehmen würde, wäre ein Regress gegenüber dem Vereinsmitglied ausgeschlos­sen, d.h. es müsste nicht befürchten, vom Vereins-Haftpflichtversicherer auf Ersatz der Schadenzahlung in Anspruch genommen zu werden.

Daneben könnte auch die Privat-Haftpflicht­versicherung zum Tragen kommen. Gegebe­nenfalls würden dann die beiden Versicherer über die Grundsätze der Doppelversicherung Leistungen untereinander ausgleichen, ohne dass Nachteile für die versicherten Personen entstehen.

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B.    Verhalten im Schadensfall und wichtige Versicherungsausschlüsse

Wie ausgeführt, sind Schadenersatzan­sprüche im Zusammenhang mit der Durch­führung von Gemeinschaftsarbeiten in vielfa­cher Weise denkbar. Je nachdem, wie die Sach- und Rechtslage des Einzelfalles ausge­staltet ist, gewährt die Vereins-Haftpflichtversicherung und/oder die Privat-Haftpflichtver­sicherung für die eingetretenen Personen- und/oder Sachschäden Versicherungsschutz.

Es ist im Schadensfall zu beachten, dass der Versicherungsfall unverzüglich, d.h. ohne schuldhafte Verzögerung, spätestens inner­halb einer Woche dem Haftpflichtversicherer schriftlich anzuzeigen ist. Dies bezieht sich auch auf solche Ansprüche, die einen Schaden­ersatzanspruch nach sich ziehen könnten.

Es ist weiterhin darauf zu achten, dass der VN nicht berechtigt ist, ohne vorherige Zu­stimmung des Versicherers einen Haftpflicht­anspruch ganz oder zum Teil oder vergleichs­weise anzuerkennen oder zu befriedigen, da hierdurch der Versicherungsschutz gefährdet wird. Für vorsätzlich verursachte Schäden besteht kein Versicherungsschutz.

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